100 Jahre Hyperinflation - Hochkarätiger Referent bei der Kolpingsfamilie Osterhofen

24.10.2023 | Kolpingsfamilie Osterhofen

In Zusammenarbeit mit der KEB, die diese Jahr 50jähriges Jubiläum feiert, hat die Kolpingsfamilie Osterhofen zu einem sehr interessanten Vortag eingeladen. Der Referent, Prof. Dr. rer pol Gerlad H. Mann, referierte zu den Themen „100 Jahre Hyperinflation“ und „bald kein Bargeld mehr?“. Es hatten sich gut 30 Interessierte im Saal des Kolpinghauses eingefunden um den ausführlichen, kurzweiligen und in auch für Laien verständlicher Sprache dargelegten Ausführungen zuzuhören. Diese wurden durch Beispiele und Anekdoten ergänzt.

Prof. Mann begann sein Referat geschichtlich in der Weimarer Republik. Damals hatte Deutschland eine Goldwährung, das im Umlauf befindliche Geld war mit Goldreserven gedeckt. Die Bürger konnten sich ihr Geld, wenn gewünscht, bei den Banken in Gold umtauschen. Am 4. August 1914 wurde das Ermächtigungsgesetz verabschiedet, quasi ein Freibrief für die Regierung Geld zu drucken. Ab dem Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 vermehrte sich im Deutschen Reich die umlaufende Geldmenge bis 1918 auf das fünffache und führte so zu einer kontinuierlichen Geldentwertung und somit sinkender Kaufkraft. Nach der militärischen Niederlage 1918 wurde die Geldmenge weiter aufgebläht. Nach Bekanntgabe Höhe der Reparationsforderungen beschleunigte sich die Inflation nochmals. Diese erreichte im November 1923 ihren Höhepunkt, mittlerweile waren die Ersparnisse zahlloser Familien vernichtet. Die völlige Entwertung der als sicher geglaubten Kriegsanleihen führte zu einem sehr großen Vertrauensverlust.

Die Geldentwertung setzte sich aufgrund der Kriegsfolgelasten fort. Die amtierende Reichsregierung trat zurück um nicht die Verantwortung für die innenpolitisch heftig umstrittenen Reparationszahlungen übernehmen zu müssen. Sie wurde durch ein von Joseph Wirth geführtes Kabinett ersetzt, das die alliierten Forderungen so weit wie möglich erfüllen wollte. Dies führte zu einer starken Polarisierung, die rechten Oppositionsparteien bekamen immer mehr Auftrieb. Vor diesem Hintergrund beschleunigte sich die Inflation, die Einnahmen der Regierung reichten bei weitem nicht aus, es mussten immer neue Kredite aufgenommen werden. Der Kurs der deutschen Währung verfiel immer mehr und es wurde immer mehr Geld geruckt. Im November 1922 gab es abermals einen Regierungswechsel.

Im Jahr 1922 war der 1000 Mark-Schein der höchste, 1923 erhöhten sich die Geldscheinwerte in schneller Folge bis zu einem Wert von 100 Billionen Mark (100.000.000.000.000 M). Trotzdem reichten die Zahlungsmittel nicht aus, der schwindelerregenden Wertverlust während der Hyperinflation konnte nicht ausgeglichen werden, die Preise stiegen quasi über Nacht. Ein geregelter Wirtschaftsbetrieb wurde unmöglich: z. B. erfolgten Lohnzahlungen täglich, Bargeld wurde in Sachwerte getauscht, Ladenöffnungszeiten richteten sich nach Bekanntgabe-Terminen für Wechselkurse, in Restaurants konnte sich die Zeche während des Essens verdoppeln.

Um die Inflation zu beenden wurde im Oktober 1923 die Errichtung der Deutschen Rentenbank beschlossen. Diese hatte ein Grundkapital von 3,2 Milliarden Rentenmark, welches durch eine Grundschuld von Landwirtschaft, Industrie, Handel und Gewerbe abgesichert wurde. Die Bürger vertrautem dem neuen Geld erst, als sie für ihr Geld wieder Waren zu vernünftigen Preisen erhielten.

Nach diesem geschichtlichen Rückblick gab es einen Ausblick in die Zukunft: droht uns die Abschaffung des Bargeldes? Was spricht dafür, was dagegen? Prof. Mann zeigte zunächst die Vorteile eine Abschaffung auf wie zum Beispiel bessere Bekämpfung von Schwarzarbeit, Falschgeld, Schwarzgeld und Kriminalität. Unter Umständen sei es hygienischer bargeldlos zu bezahlen. Auch wirtschaftliche Interessen beflügeln die Idee des bargeldlosen Zahlungsverkehrs: mit diesen Services lässt sich gut Geld verdienen, auch mit den hiterlassenen Daten.

Aber es spricht sehr viel für die Beibehaltung der Münzen und Scheine: Bargeld ist anonym, es ist eine Rückversicherung für Notzeiten und funktioniert auch ohne Strom und Elektronik. Es schützt die Privatsphäre und kann von jedem genutzt werden. Auf Bargeld gibt es keine Negativzinsen. Mit Bargeld ist man unabhängig von den Banken und es schützt vor übermäßigem Konsum – es tut „weh“ wenn es den Besitzer wechselt. Droht nun die Abschaffung des Bargeldes? Dies ist unwahrscheinlich. Der Widerstand ist aktuell hierzulande noch erheblich. Auch Top-Banker erwarten dies kurzfristig nicht. Die Abschaffung ist kein sinnvolles Instrument, die Geldpolitik zu beflügeln.

Der Referent ging auch auf die Fragen der Zuhörerschaft ein und konnte die Angst vor einer erneuten Hyperinflation nehmen, wenngleich die Inflation in der Zukunft durchaus höher sein kann als wir es gewohnt sind.