Digitalisierung und Demographie als Motor der Veränderung
Das Kolpingwerk ist seit seiner Gründung unverrückbar mit dem Thema Arbeitswelt und Handwerk verbunden. Veränderungen in der Arbeitswelt sind daher immer auch Prozesse mit denen sich das Kolpingwerk beschäftigt. Daher lud am vergangen Freitag der Kolping Diözesanverband Passau zu einem Podiumsgespräch mit genau diesem Themenschwerpunkt ein. Dabei wurden insbesondere die Themen Digitalisierung und Demographie in den Blick genommen.
Die Vizepräsidentin der Handwerkskammer Niederbayern/Oberpfalz und Moderatorin des Abends Kathrin Zellner stellte nach den Begrüßungsworten durch den Vorsitzenden der Kolpingsfamilie Regen Karl-Heinz Barth und dem Diözesanvorsitzenden Stephan Kroneder, die Gäste vor. Die weiteste Anreise hatte die Bundessekretärin des Kolpingwerks Deutschland Alexandra Horster, die extra für diesen Abend aus Köln anreiste. Tobias Gotthardt, Staatssekretär für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, war als politischer Vertreter und Kenner der bayerischen Wirtschaft geladen. Aus der Wirtschaft selbst war Björn Panne Geschäftsführer der Kolping-Akademie Augsburg der Einladung gefolgt. Die Kolping-Akademie Augsburg ist seit über 50 Jahren ein Spezialist im Bereich Aus- und Weiterbildung. Dr. Olaf Heinrich, Bezirkstagspräsident und Bürgermeister der Stadt Freyung musst leider kurzfristig, aufgrund eines Notfalls, absagen.
Im ersten Themenblock „Digitalisierung und Chancen der KI“ zeigten Kathrin Zellner und Tobias Gotthardt besonders die Chancen auf, die KI für das Handwerk bieten kann. So könne mit Hilfe von Sensorik die Temperatur optimal für den Backprozess reguliert werden oder Building Information Modelling bei der Verwirklichung von Bauplänen helfen. „Für diese Chancen müssen wir werben“, so Gotthard. Dabei ist es ihm aber auch wichtig diese Technologie als komplementäre, also ergänzende Intelligenz zu der emotionalen, menschlichen Intelligenz zu sehen. Alexandra Horster, die im Vorfeld zu diesem Abend das Berufsbildungszentrum der Kolpingsfamilie in Regen besuchte, zeigte sich begeistert, wie hier schon bei der Ausbildung mit KI gearbeitet wird. Wichtig ist ihr aber, dass man die Schüler und Schülerinnen nicht nur in die Anwendung einführt, sondern sie auch befähigt die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz sinnvoll zu nutzen. Dabei sei auch darauf zu achten, dass die rasant voranschreitende Entwicklung die Gesellschaft nicht überrollt. Dies gelte auch für den pädagogischen Bereich, betont Björn Panne. Hier sei es wichtig, dass die die menschliche Beziehungsarbeit immer im Zentrum stehe. Man kann Bildungsinhalte durch KI anreichern, wie zum Beispiel durch Lernmanagementsysteme und andere Möglichkeiten der inhaltlichen Aufarbeitung, aber die Zusammenarbeit zwischen Pädagoginnen und Pädagogen bleibt dennoch entscheidend für den Erfolg. Von daher teile er die Einschätzung einer komplementären Technologie in diesem Bereich. Er schließt mit dem Appell an die Politik über all die Chancen der KI die Regulierung auch fest im Blick zu haben und hier für Sicherheit und Transparenz zu sorgen. Besonders positiv an diesem Abend war, dass sich auch das Publikum überaus intensiv einbrachte und ihre Erfahrungen mit KI und Digitalisierung eindrücklich schilderten.
Im zweiten Themenblock wurde über die Herausforderungen die mit dem Arbeits- und Fachkräftemangel einhergehen, gesprochen. Kathrin Zellner führte hierzu kurz in die aktuelle demographische Entwicklung im Raum Donau-Wald ein. 2042 werden wir gemäß der Vorausberechnung des statistischen Bundesamtes fast 30% mehr Menschen über 70 Jahren haben als jetzt, aber deutlich weniger junge Menschen. Alexandra Horster brachte das auf den Punkt:“ Die Rente ist sicher, die Frage ist nur wie hoch.“ Ihrer Meinung nach besteht eine zentrale Chance darin die Menschen, die aus aller Welt zu uns kommen, schnell in Lohn und Brot zu bringen. Björn Panne verdeutlichte am Beispiel der Pflegekräfte wie dramatisch die Situation wirklich ist. Zur Kolping-Akademie Augsburg gehört beispielsweise auch eine Pflegeschule in Kempten. 80% der Absolventinnen und Absolventen kommen aus Kenia, Mexiko, Vietnam und anderen Ländern. Aber selbst, wenn wir die aktuelle Zahl der Pflegekräfte um 100% erhöhen würden, würde es in Zukunft nicht reichen. Wichtig seien hier Prozessbeschleunigungen. Tobias Gotthardt betont, dass sich Deutschland hier oft selbst im Weg steht. „Wir machen Dinge nicht 100% sondern manchmal 1000%.“ Es stellt sich die Frage ob unsere bürokratischen Standards hier nicht zu hoch sind. Gerade in der Berufsschule scheitern viele Menschen mit Migrationshintergrund an der Sprache. Das duale System ist gut und wichtig aber vielleicht müsse hier über andere Prüfungsformate nachgedacht werden.
Gefragt nach einem Abschlussfazit stellte Gotthardt klar: „Wir stehen vor großen Aufgaben, jeder muss runter von der Couch und sich einbringen. Machen nicht Jammern.“ Alexandra Horster ergänzte, dass man dazu immer mit den Menschen im Gespräch bleiben müsse und Räume zum Austausch schaffen, so wie an diesem Abend wunderbar gelungen.